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Holacracy – ein revolutionäres Management-System in einer Digitalagentur

Im Interview erklärt CEO Christian Reschke, was es damit auf sich hat

Hallo Christian, du hast dich in den letzten Wochen und Monaten intensiv mit dem Thema #NewWork und modernen Organisationsstrukturen auseinandergesetzt. Wie kam es dazu?

Erstmal muss sich sagen, dass das nichts mit dem Trend zum Thema #NewWork zu tun hat. Die Grundwerte des selbstbestimmten, sinnstiftenden Arbeitens verfolge ich ja schon seit Ende der 90er Jahre, als ich meine erste Agentur gegründet habe. Viel mehr noch: das Gegenteil von selbstbestimmten und sinnstiftendem Arbeiten habe ich am Ende meines Studiums bei einem studentischen Job erleben müssen. Exakt das war der Auslöser, um zu sagen “Hey, so geht das nicht. Ohne mich!” Ich sehe mich als Unternehmer, der eine Plattform bietet, auf der Menschen sich einbringen, entfalten und entwickeln können. Über viele Jahre wurde das so von uns allen bei kuehlhaus weitgehend gelebt. Wir haben es nur nie aufgeschrieben. Im letzten Jahr sind wir sehr gewachsen und sind mittlerweile über 60 Kollegen aus über 10 Nationen. Da passiert es dann, dass Menschen aus Unternehmen mit Berichtslinien, Matrixorganisationen und Orga-Charts zu uns kommen. Wenn sie dann auf eine weitgehend hierarchiefreie Arbeitsumgebung stoßen, in der sie nicht jeden Schritt bis ins Kleinste gesagt bekommen und sich eigenverantwortlich und selbstbestimmt einbringen dürfen, ist das für manche recht ungewöhnlich. In den letzten Monaten haben wir festgestellt, dass wir unsere Arbeitsweise und Organisationskultur festhalten müssen, sodass jeder sie versteht. 

Selbstorganisation, agile Methoden und der Abgesang an alte Führungsstile sind Trends, denen man aktuell ständig begegnet, vor allem in technikaffinen Branchen. Du hast dich nun nach langem Recherchieren dafür entschieden in eurer Digitalagentur, Holacracy, das Organisationsprinzip von Brian Robertson, einzuführen. Kommt die kuehlhaus AG bald komplett ohne Chefs aus?

Rein formal kommt eine Aktiengesellschaft nicht ohne einen Aufsichtsrat und einen Vorstand aus. Das gibt uns das Aktiengesetz so vor. Das wird sich auch nicht ändern. Im Inneren der Organisation sieht das schon anders aus. Holacracy ist auch nicht hierarchiefrei, wie das so mancher denkt. Dennoch ist dies nichts, was AB-Teilungen mit Chefs schafft, die vorgeben, wer was wann und wie zu tun hat. Verantwortung und Macht wird also nicht bei einem VOR-Gesetzten konzentriert. Es geht mir in unserer Organisation darum, die Arbeit, die wir zur Erfüllung unseres Daseinszweckes leisten, zu organisieren. Das bedeutet, dass wir uns genau ansehen, was wir für Arbeiten verrichten. Ähnliche Arbeitsbereiche sind in sogenannten „Circles“ zusammengefasst. Diese haben einen SEINSZWECK und verfolgen ein Ziel (eng. purpose). In diesen Kreisen gibt es einen Circle Lead, so wird der „Chef“ des Kreises genannt. Dieser Circle Lead ist jedoch gerade nicht der „Bestimmer“, der alles vorgibt – so wie man es von klassischen Organisationen kennt. Vielmehr wird er den Purpose des gesamten Kreises verfolgen. Innerhalb jedes Circles gibt es Mitglieder, die verschiedene Rollen innehaben. Die Rolleninhaber des Kreises bestimmen aktiv mit, wie der Seinszweck des Kreises erfüllt wird. Sie schaffen innerhalb des Kreises neue Rollen mit Verantwortlichkeiten. Die Rolleninhaber sind ermächtigt, vollkommen selbst zu bestimmen, wie sie ihr Ziel erreichen, was sie dazu tun müssen und wie sie ihre Aufgaben priorisieren. Somit kann jeder aktiv am „Wie arbeiten wir“ mitgestalten. Klingt crazy, ist aber so. 

Warum hast du dich für kuehlhaus gerade für Holacracy entschieden?

Wir haben bemerkt, dass es immer mehr Unklarheiten gibt, je größer wir werden. Wir hatten nichts außer gelebte Organisationskultur. Nichts zum Nachlesen. Kein Leitfaden. Kein Regelwerk. Also bin ich auf die Suche nach einem System gegangen, was unser bisherigen Organisationskultur am meisten entspricht. In Holacracy habe ich ein System gefunden, das dem, was wir schon seit über zwanzig Jahren leben, ein Regelwerk gibt. Da kann jeder lesen und nachschlagen, wenn etwas unklar ist und sich daran orientieren. Un on top gab es noch neue Impulse dazu.

Die Einführung von Holacracy ist keine Sache von fünf Minuten. Wie funktioniert die Einführung bisher und hast du ein Ziel, bis wann die Agentur voll „holokratisiert“ wurde?

Die Frage ist nicht, bis wann ich alles holakratisiert habe, sondern wie lange es dauert, bis wir uns holakratisiert haben. Das Gute ist, dass wir – zumindest sehe ich das so – nicht ein komplett neues System einführe, sondern unserer bisherigen Struktur Rahmen und Regeln geben. Wir werfen ja nicht wirklich alles über den Haufen und diejenigen, die im mittleren Management arbeiten, müssen auch nicht plötzlich ihre „Macht“ abgeben. Wir haben schon seit eh und je eine flache Hierarchie.

Was ist im Zuge der Einführung von Holacracy noch geplant?

Bei einem evolutionären Organisationssystem von „geplant“ zu sprechen, wäre falsch. Es kommt, was kommen muss, um die Organisation dynamisch auszurichten. Dennoch ist idealerweise eine zeitnahe Übergabe nahezu aller meiner „Circle Lead“ Rollen und Kreise an die Kollegen mein Wunsch. Das klingt wahrscheinlich für „klassische“ Chefs wie der Horror, für mich aber eher nach Schlaraffenland…

Wenn man ein wenig zum Thema Holacracy recherchiert, findet man auch viel Kritik. So soll die Umsetzung nichts für börsennotierte Unternehmen sein, die Meetingregeln seien viel zu kompliziert und die Trennung von Rolle und Person löse noch lange keine Beziehungsprobleme zwischen Kollegen – was sagst du zu diesen Kritikpunkten?

Holacracy ist vor allem nichts für Menschen, die nicht selbstbestimmt arbeiten und Verantwortung übernehmen wollen. Bei Holacracy gibt es keine Organigramme und niemand sagt dem Anderen, wie und wann er etwas tun muss. Wie viele Leser dieses Artikels finden die Meetings, an denen sie teilnehmen oder die sie halten, effizient und effektiv? Vermutlich wenige. Und – liebe Leser, wie viele von euch haben die Möglichkeit, in euren Unternehmen zu sagen: „Die Meetings sind unproduktiv, wir sollten sie verändern!?” Klar, die Holacracy Meetingregeln sind komplizierter als das, was man so kennt. Aber sie sind auch deutlich effizienter als die meisten Meetings oder Zusammenkünfte, die wir so abhalten – vorausgesetzt, alle Teilnehmer haben die Regeln und vor allem den Sinn dahinter verstanden.

Last but not least: Wie wir alle wissen, warst du tief im Herzen schon immer ein Rebell, das passt ja zu diesem Thema. Wer ist dein rebellisches Vorbild?

Neben meiner beruflichen Laufbahn war die Rock’n’Roll Highschool das, was mein Leben geprägt hat. Seit ich 16 bin, spiele ich Gitarre und stehe auf Bühnen. Rockabilly, Rock’n’Roll, mittlerweile Swing und Gypsy Jazz. Insofern sind meine Helden Chuck Berry, Elvis Jerry, Lee Lewis, Django Reinhardt und viele mehr. Allesamt Menschen, die das gemacht haben, was sie wollten. Rebellen in ihrer Zeit. Allesamt Helden, die nachhaltig Fußstapfen auf dieser Welt und im Weltall hinterlassen haben. Respekt!

Danke, Christian!

Ein Artikel von

Pebble
Foto geschäftsführender Gesellschafter

Christian Reschke

Ich bin Managing Partner, leidenschaftlicher Digitaler-Unternehmer, Online-Veteran, Business-Querdenker.

Meine Rollen bei kuehlhaus:

  • Company Strategy
  • Company Circle Lead (CEO)
  • Certified Facilitator
  • M&A
  • Partner Portfolio

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